Vanguard Group, der weltweit zweitgrößte Vermögensverwalter mit über 11 Billionen USD an verwaltetem Vermögen (AuM) und rund 50 Millionen Kunden, erwägt erstmals, seinen Brokerage-Kunden Zugang zu Krypto-ETFs zu ermöglichen.
Dieser Schritt würde einen radikalen Bruch mit der bisherigen Haltung darstellen, die Kryptowährungen kategorisch ausschloss. Bislang galt Vanguard als einer der letzten großen Skeptiker. Gründer Jack Bogle warnte einst, Investoren sollten „Krypto wie die Pest meiden“, während der ehemalige CEO Tim Buckley 2024 betonte, dass Vanguard „niemals“ einen Bitcoin ETF anbieten werde. Selbst nach der Einführung der ersten US-Spot-Bitcoin-ETFs im Januar 2024 verweigerte Vanguard seinen Kunden den Zugang und bezeichnete es als „unreifes Asset ohne fundamentalen Wert“.
Von Ablehnung zur Neubewertung
Nun scheint ein Politikwechsel bevorzustehen. Ein Sprecher von Vanguard sagte gegenüber Bloomberg, dass das Unternehmen kontinuierlich „unsere Brokerage-Angebote, die Präferenzen der Anleger und das sich entwickelnde regulatorische Umfeld“ evaluiere. Während eigene Krypto-Produkte nicht geplant sind, wird die Zulassung ausgewählter Drittanbieter-ETFs in Erwägung gezogen.
Ein entscheidender Faktor ist die Ernennung von Salim Ramji zum CEO im Sommer 2025. Ramji leitete zuvor das ETF-Geschäft von BlackRock und gilt als innovationsgetrieben. Sein Vorgänger Tim Buckley trat nach anhaltender Kritik an Vanguards rigider Krypto-Strategie zurück.
Hinzu kommt der enorme Erfolg von Bitcoin-ETFs: Seit ihrer Einführung im Jahr 2024 haben die Produkte mehr als 142 Milliarden USD an Vermögenswerten angezogen, wobei allein 84 Milliarden USD in BlackRocks IBIT geflossen sind. Die außergewöhnliche Performance und die Zuflüsse der Bitcoin-ETFs haben den Druck auf Vanguard erheblich erhöht.
Der Schwung wurde durch die jüngsten Zulassungen von Altcoin-ETFs durch die SEC weiter verstärkt, die das Spektrum regulierter Produkte erheblich erweitert haben. Mit einem rasant wachsenden Angebot und Handelsvolumen an den Börsen fühlen sich viele Kunden um essenzielle Investitionsmöglichkeiten gebracht. Dies ist besonders auffällig für ein Unternehmen, das sich als umfassender Finanzdienstleister positioniert.
Vanguard zwischen Tradition und Marktdruck
Wenn Vanguard die Tür öffnet, wäre es zwar nicht das erste Unternehmen – aber sicherlich eine der symbolträchtigsten Befürwortungen digitaler Assets durch einen globalen Vermögensverwalter. Mit mehr als 50 Millionen Kunden könnte ein erhebliches Volumen in bestehende Krypto-ETFs fließen und die Mainstream-Adoption weiter beschleunigen.
Obwohl Vanguard noch keine endgültige Entscheidung getroffen hat, signalisiert die Debatte einen strategischen Wendepunkt. Ein Unternehmen, das sich zuvor von Krypto distanziert hatte, erwägt nun den Einstieg – ausgelöst durch einen Führungswechsel, den Markterfolg der Konkurrenz und die steigende Kundennachfrage. Sollte dieser Schritt erfolgen, könnte er das Kräfteverhältnis am globalen ETF-Markt neu ordnen und Krypto fest im Mainstream verankern.
Gleichzeitig zeigt dieser potenzielle Wandel, wie stark der Druck von Markt und Investoren geworden ist. Selbst traditionelle Unternehmen können sich digitalen Assets kaum noch entziehen. Wie viel verwaltetes Vermögen Vanguard aufgrund seiner konservativen Haltung bereits verloren hat, weiß nur das Unternehmen selbst. Doch das Signal ist eindeutig: Der Markt gibt die Regeln vor. Investoren erwarten die größtmögliche Bandbreite an Möglichkeiten, um ihre Renditen zu optimieren. Ein Finanzdienstleister, der vorschreibt, welche Assetklassen zulässig sind, steht fast immer auf der falschen Seite.
