Dieser „alte Betrüger“ aus der Krypto-Szene hat sich heimlich zu einem Handelsgiganten hochgekauft.

Die Klagewolken der US-Börsenaufsichtsbehörde (SEC) haben sich verzogen, und Ripple Labs, das sich lange als Blockchain-Zahlungsunternehmen präsentierte, jedoch nur wenige tatsächliche Geschäftsaktivitäten vorweisen konnte, hat nun einen Übernahmekurs eingeschlagen und macht sich auf den Weg, ein mehrere Milliarden Dollar schweres, echtes Krypto-Imperium aufzubauen.

Ripple Labs CEO Brad Garlinghouse (Brad Garlinghouse). Bildquelle: Stephen McCarthy/Sportsfile/Collision/Getty Images

Im März 2024 veröffentlichten wir einen Bericht über „Zombie-Blockchains“ und listeten mindestens 50 Krypto-Projekte mit einer Marktkapitalisierung von über 1.1 billions US-Dollar auf, die hauptsächlich durch Spekulation und nicht durch tatsächliche Anwendungen gestützt werden. Ripple, das sich zum Ziel gesetzt hatte, das globale Bankeninformationssystem SWIFT zu ersetzen, dieses Ziel jedoch nie erreichte, stand an der Spitze dieser Liste.

Damals betrug die Marktkapitalisierung 36 billions US-Dollar, während die jährlichen Gebühreneinnahmen lediglich 583.000 US-Dollar ausmachten.

In letzter Zeit hat Ripple Labs jedoch eine beeindruckende Entwicklung hingelegt.

Auf dem privaten Markt schwankt der Aktienkurs des Unternehmens derzeit zwischen 135 und 170 US-Dollar, was einem Anstieg um das Zwei- bis Dreifache seit Jahresbeginn entspricht. Die Bewertung liegt zwischen 22 und 30 billions US-Dollar. Zum Vergleich: Diese Bewertung nähert sich bereits der von Circle, einem Stablecoin-Emittenten. Ripple möchte mit Circle konkurrieren und versuchte sogar, Circle vor dessen Börsengang (IPO) im Juni zu übernehmen. Derzeit liegt die Bewertung von Circle bei etwa 34 billions US-Dollar, und der Aktienkurs ist seit dem IPO am 5. Juni um 352 % gestiegen. Ripples Token XRP (der den Inhabern keinen Anteil am Unternehmen verschafft) ist seit Jahresbeginn um 366 % gestiegen, die Marktkapitalisierung liegt nun bei fast 150 billions US-Dollar.

Ripple profitiert nun auch vom Boom rund um digitale Asset-Treasuries.

In den letzten Wochen haben mehrere Unternehmen Strategien für Treasury-Management rund um XRP angekündigt, wobei Evernorth besonders hervorsticht: Das Unternehmen plant, mehr als 1.1 billions US-Dollar einzusammeln. Dass ein Unternehmen, das lange Zeit kaum Geschäftserfolge vorweisen konnte, nun Unternehmen findet, die bereit sind, seinen Token zu halten, zeigt das große Vertrauen in Ripple.

Angesichts des Endes des fünfjährigen Rechtsstreits zwischen Ripple und der SEC ist diese Entwicklung eigentlich nicht überraschend.

Im Jahr 2020 verklagte die SEC Ripple und warf dem Unternehmen vor, XRP als nicht registriertes Wertpapier verkauft zu haben. Das Ergebnis: Ripple zahlte eine Strafe von 125 Millionen US-Dollar. Darüber hinaus tätigte Ripple mehrere viel beachtete Übernahmen: Für 1 billions US-Dollar wurde der Treasury-Management-Softwareanbieter GTreasury übernommen, für 1.25 billions US-Dollar der Prime Broker Hidden Road und für 200 Millionen US-Dollar die Stablecoin-Zahlungsplattform Rail. Zwischen 2023 und 2024 übernahm Ripple zudem den Digital-Asset-Custodian Metaco (für 250 Millionen US-Dollar) und Standard Custody (Kaufpreis nicht veröffentlicht).

Obwohl das XRP Ledger in Bezug auf die Nutzung von Anwendungen und die Aktivität der Entwickler weiterhin hinter anderen, populäreren Blockchains zurückbleibt, ist offensichtlich, dass Ripple heute ein völlig anderes Unternehmen ist als noch vor einem Jahr.

„Manchmal denken die Leute, Veränderung sei etwas Schlechtes, aber ich denke, das ist genau das Zeichen für gesunde Entwicklung und Exzellenz, besonders im Bereich neuer Technologien“, sagt Joe Naggar, CEO und Chief Investment Officer des Krypto-Hedgefonds Feynman Point Asset Management. Der Fonds ist auch einer der Investoren von Ripple.

Er ergänzt: „Ripple hat eine sehr durchdachte Kapitalstruktur, die jedoch bisher aufgrund des regulatorischen Drucks nicht voll zur Geltung kam. Meiner Meinung nach zeigt Ripple eindrucksvoll, wie sich Unternehmen ohne strenge Gesetze und regulatorische Rahmenbedingungen entwickeln können. Diese durchdachte Struktur unterscheidet Ripple von anderen Protokollen mit großen Treasury-Beständen – die Stiftungen hinter diesen Protokollen haben oft keine echte Führung und wissen nicht, wem sie dienen sollen. Wenn man aber Brad Garlinghouse (CEO von Ripple) fragt, ist seine Antwort sehr klar: Er dient den Aktionären.“

Naggar ist der Meinung, dass Ripple heute nicht mit Circle oder anderen Blockchain-Unternehmen verglichen werden sollte, sondern mit Coinbase. Coinbase betreibt ebenfalls Custody- und Prime-Brokerage-Geschäfte und hat mit Circle eine Umsatzbeteiligungsvereinbarung.

Austin King, CEO des Krypto-Handelsunternehmens Nomina (der 2019 sein erstes Unternehmen an Ripple verkauft hat), sieht es noch deutlicher: „Viele Leute im Kryptobereich äußern sich kritisch über Ripple, aber die Wahrheit ist, dass Ripple eine erstaunliche Weitsicht besitzt. Ihre Technologie existiert seit zehn Jahren. Ich denke, Ripples aktueller Ansatz besteht darin, Synergien zwischen diesen verschiedenen Geschäftsbereichen zu finden und sie zu einem integrierten Finanzdienstleistungskonzern zusammenzuführen.“

Die nächste große Frage für Ripple ist daher, ob es gelingt, die übernommenen Geschäftsbereiche zu einem einheitlichen System zu integrieren und so echten Mehrwert für seine Kerntechnologie – das XRP Ledger – zu schaffen.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von:

Autorin: Nina Bambysheva

Übersetzung: Lemin

Originaltitel: „Ripples 180 Milliarden Dollar Transformation“